Herrn
Dr. Koranyi PH. RECLAM JUN. VERLAG GMBH POSTFACH 1349 D - 71252 DITZINGEN Betr.
Brainstorm Sehr
geehrter Herr Dr. Koranyi, Ich
danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 20.10.98, das am 2.11.98 hier eingelangt
ist. Zunächst möchte ich Ihnen versichern, daß wir durch die Herausgabe
des Buches "Brainstorm" im Albatros Verlag keineswegs dem Reclam Verlag
(und anderen physischen oder nichtphysischen Personen) in irgendeiner Form Schaden
zufügen wollten; ganz im Gegenteil. Es
freut uns auch die Anteilnahme, die Sie dem Band schenken, obgleich wir - neben
dem zweifellos berechtigten Interesse an formalen Elementen - ein wenig die wohl
mindestens ebenso berechtigten Begeisterungsstürme über den Inhalt des
Buches vermissen, das Sie doch hoffentlich auch gelesen haben. Immerhin wurde
das Schauspiel von Fachleuten mit Attributen wie "einzigartig in diesem Jahrhundert"
versehen, u.a. mit Goethes "Faust" verglichen, und niemand geringerer
als der großartige Joachim Unmack hat in seinem letzten Bühnenauftritt
die Hauptrolle des Regenten im ersten Teil der mehrteiligen Bühneninszenierung
unter der Regie des Autors gespielt. Zudem
vermissen wir auch so etwas wie Humor oder zumindest einen Hang zur Ironie, und
vor allem auch zur Umgänglichkeit, wenn Sie uns "auffordern", die
weitere Verbreitung des Buches "in dieser Form zu unterlassen". Könnte
man dies nicht auch anders, etwas freundlicher formulieren? Fühlt sich wirklich
ein Verlagsriese von einem Mini-Kleinstverlag ernsthaft gefährdet?
Vielleicht
darf ich Sie mit ein paar Fakten beruhigen (obwohl diese Fakten für uns im
Grunde beunruhigend sind). Der Albatros Verlag hat keine Verlagsvertreter, sodaß
"Brainstorm" leider (für Sie vermutlich: gottseidank) nicht einmal
annähernd repräsentativ in den Buchgeschäften aufliegt und zum
Verkauf angeboten werden kann. Buchhändler bestellen unsere Bücher in
der Regel nur auf Kundenwunsch, und dann Einzelexemplare (über unsere Auslieferung
VG Glas, München). Die Auflage ist minimal; mehr als ein Drittel davon wurde
bereits als Rezensionsexemplare an die Presse verschickt.
Die Hauptabnehmer
des Buches sind Theater bzw. deren physische Akteure, die ja bekanntlich nach
zeitgenössischen österreichischen Stücken geradezu lechzen. Hier
hat sich die handliche Form (und viel geringere Portokosten als bei einem Manuskriptversand)
bestens bewährt. Zu den etwaigen formalen Parallelen möchten wir
anmerken, daß das Buch eindeutig mit dem Verlagsnamen "Albatros"
gekennzeichnet ist. Unserer Auffassung nach handelt es sich, wenn überhaupt,
dann lediglich um ein Zitat, eigentlich um eine Verbeugung vor der Klassik, der
in gebührender Weise (aber natürlich auch mit feiner Ironie) Referenz
erwiesen wird; es handelt sich demnach um eine Huldigung voll historischer Hochachtung,
die kein Vorbild zu scheuen braucht. Sowie uns bekannt ist, bedient sich der
Reclam Verlag ohnedies bereits eines geänderten Erscheinungsbildes, sodaß
dieses Zitat eher als geschichtliche Reminiszenz, ja wie gesagt als Ehrerbietung
zu betrachten ist und von der Geschichte dereinst sicher so gewertet werden wird,
was Sie eher mit Stolz erfüllen müßte. Die Farbe Gelb ist in unseren
Augen und vor unseren Augen nicht schützbar. Der Größe eines Buches
sind rein schon durch die humanoiden Körpermaße physische Grenzen gesetzt.
Ein Buch beispielsweise in der Größe von 1 Quadratzentimeter wäre
platzsparend, aber nur schwer lesbar; Bücher mit mehreren Metern Länge
sind unhandlich. Zeitungen zerknittern leicht und neigen zum zeitigen Zerfall.
Auch die Form einer Glühbirne - so notwendig sie zum Lesen ist -
läßt sich nicht schützen. Es fragt sich, ob Ihr geschätzter
geschützter Verlag wirklich den Gebrauchsmusterschutz all der Vorgänger
bibliophiler Gestaltung beachtet? Streng genommen sind wir doch alle, die sich
mit gedruckter Sprache befassen, Nutznießer der epochalen Entdeckungen Gutenbergs.
Bezahlt jemand aus der Verlagsbranche vielleicht Schutzgebühren oder Lizenzen
an die Rechtsnachfolger der Sumerer für ihre bahnbrechenden Entwicklungen
im Dienste der Keilschrift? Oder gar eine Solidaritätsabgabe für vom
Verfall bedrohte Pharaonen-Mumien als Anteil für das uns hinterlassene Papyrus-Knowhow?
Es
stimmt allerdings, wenn Sie schreiben, daß wir die Vorgehensweise, ein Buch
zu veröffentlichen, nicht mit Ihnen abgesprochen haben. Wir möchten
dies nun gerne nachholen. Wenn Sie finden, daß "Brainstorm" einem
Reclam-Heft ähnlich sieht, so möchten wir Ihnen nun (auch um unnötigen
Streitereien oder Haarspaltereien aus dem Weg zu gehen) eine Kooperation anbieten.
Am einfachsten, indem Sie es direkt in Ihr Verlagsprogramm aufnehmen, was wir,
ohne anmaßend erscheinen zu wollen, für eine Bereicherung halten würden.
Sofern Sie dies nicht wünschen, wäre auch eine Vertriebs-Kooperation
denkbar. Es würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie den Mut dazu
aufbringen. Das wäre ein deutliches Signal, Tradition mit Originalität
zu verbinden.
Ich glaube, jedermann, der ernsthaft an der Verbreitung deutschsprachiger
Literatur interessiert ist, sollte sich letztlich darüber freuen, wenn die
Verlagsszene durch engagierte Kleinverlage mit kreativen Ideen etwas belebt wird
und nicht versuchen, in kleinlicher Weise diese Belebungsversuche abzuwürgen.. Nichts
für ungut. Mit freundlichen, kollegialen Grüßen Walter
Baco Wien, 10.11.98
Presse-Info
Wien, Ende 98 Red.Kultur/Literatur/Wirtschaft/Vermischtes/Society/Leute
REKLAME FÜR RECLAM? Verlagsriese versus Kleinverleger. Karnevalesker
Plagiats-Streit um das Gelbe vom Einband.
David
gegen Goliath. Reclam gegen Albatros. Auf der einen Seite ein traditionsbewußter
Großverlag mit einer Klassiker-Edition, die Generationen von Schulklassen
vertraut ist. Auf der anderen Seite ein kleiner Alternativ-Verlag, der just eine
frappierend ähnliche Aufmachung für seine Neu-Erscheinung, ein Schauspiel
namens "Brainstorm", wählte. Der Gipfel der Frechheit: Auf der
Rückseite des - natürlich in gelb gehaltenen - Bandes der Aufdruck "Reklame-Ausgabe".
Schöpfer
des Buches ist der Wiener Autor Walter Baco, Branchen-Insidern durch aufmüpfige
Aktionen wie "Österreich-Leichtpunkt" in Frankfurt, "Linie
Leicht" auf der Leipziger Buchmesse und seiner eigenen Gerichtssaal-Talkshow
"Leichtgericht" mit Autoren als "Angeklagten" bestens bekannt. Es
kam wie es kommen mußte: Die Rechtsabteilung (Dr. Stephan Koranyi) von Reclam
hatte keinen Sinn für Karnevalspäße und begehrte schriftlich die
Unterlassung der weiteren Verbreitung, da man durch "Übernahme rechtlich
geschützter Gestaltungselemente" eine Verletzung des "Gebrauchsmusterschutzes
der Universal Bibliothek" erblickte. Autor-Verleger Baco legte ein zynisches
Schäufchen nach und bezichtigte Reclam einer Verletzung des "Gebrauchsmusterschutzes
von Gutenberg" und forderte Lizenzzahlungen auch an die Nachfahren der Sumerer
und Ägypter für die Erfindung der Keilschrift und des Papyrus. Sein
launiges Angebot, das umstrittene Buch doch gleich ins reguläre Reclam-Verlagsprogramm
aufzunehmen, wurde vom deutschen Verlagsriesen dankend abgelehnt. Zudem stand
eine weitere Drohung des scheinbar notorischen Literatur-Bösewichts unüberhörbar
im Raum: Nämlich auf dem Buch nebst dem juristisch notwendigen Hinweis "Nicht
im Reclam Verlag erschienen" einen weiteren Vermerk anzubringen: "Dies
ist ein österreichisches Qualitätsprodukt; keine deutsche Massenware."
Und das alles auf einer rotweißroten Banderole, die sich keck um das Buch
schlingt wie beim Weißwein. Dies hätte Reclam wohl in Katerstimmung
versetzt. Um
nicht weiteres Aufsehen zu erregen, gab Reclam schließlich die schriftliche
Zusicherung, die Verbreitung von "Brainstorm" nicht mehr zu verhindern;
vielleicht doch aus Respekt vor dem sprachgewaltigen Werk? Nun
verkündet Reclam's ungeliebter österreichischer Epigone auf einem extra
angefertigten - ebenfalls gelben - Schutzumschlag frech: "Mit freundlicher
Anteilnahme von Philipp Reclam jun." Buchhändler
wie Leser dürfen sich jedenfalls freuen: Das öffentliche Feilbieten
von "Brainstorm" sowie die fachgerechte Inbetriebnahme durch Umblättern
ist somit völlig gesetzeskonform; mit oder ohne Banderole. Na,
dann Prost. Baco,
Walter "BRAINSTORM" Schauspiel. Verlag Albatros, Wien 1998.
ISBN
3-85219-015-0 TB 96 x 150 mm, € 5.-, sFr 9.80 |